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Im Lichte Jenas – Teil 3

In den drei Monaten nach ihrer Begegnung ließen Caugan und Ameriana sich nicht mehr aus den Augen. Als die heilige Karavan dem Rohstoffabbau in den Dünen von Aelius ein Ende bereitete, erkundschafteten sie zusammen den Olkern-See. Die Karavanier-Rohstoffabbauer durchforsteten die Quellen, um Fasern, Harz und Rinde zu finden. Diese Materialien wurden für den Bau der Tempelmauern benötigt, die zu Ehren Jenas errichtet wurden.
Die Auseinandersetzungen mit den Kamisten wurden heftiger, je weiter die Baustellen fortschritten. Es hatten mehrere Kämpfe statt gefunden und es war viel Homin-Sap geflossen. Die friedlichen Zeiten waren vorbei.
Die beiden Freunde nahmen auch an Kämpfen teil – beflügelt von einem Glauben, der jeden Tag stärker wurde. Der Tod schien sich nicht für sie zu interessieren und richtete seinen leeren Blick lieber auf leichtere Beuten.
Die Technoweisen gaben bekannt, der Olkern-See hätte die Baustellen mit allen nötigen Ressourcen versorgt. Die letzte Etappe des Rohstoffabbaus in den alten Landen wurde eingeleitet: Die Karavaniere wurden in den Almati-Wald gebracht. Dieser wilde Wald hegte außergewöhnliche Quellen in seinem Innersten.
Im Herzen dieser Gefilden traf der Blick des Todes Caugan und Ameriana.

Der erste Morgennebel verlieh den Bäumen einen perlmuttfarbenen Schleier. Die kleine Homin-Truppe machte an einer Lichtung Halt. Der älteste Abbauer rief den Tryker, der die Truppe anführte.
Sind wir noch weit von der Quelle entfernt, Meister Caugan?
Wir sind bald da. Wenn wir angekommen sind, müsst ihr euch beeilen. Anscheinend wurde eine große Gruppe Kamisten gestern Abend auf die Insel teleportiert. Sie versuchen wahrscheinlich, die Sternenbernsteinquellen an sich zu reißen.
Wir werden unser Bestes geben.
Als die Gruppe wieder aufbrechen wollte, erschien ein dünner Schatten zwischen den Bäumen.
Ameriana! Gibt es was Neues? fragte Caugan die Magierin und bot ihr eine Flasche frisches Wasser an.
  • Ja, die Göttin ist mit uns, antwortete die junge Matis, nachdem sie getrunken hatte. Unsere Feinde haben mit ihren Vorbereitungen begonnen. Wir haben ein paar Stunden Vorsprung.
  • Gelobt sei Jena! Machen wir uns sofort auf den Weg.
    Die Karavaniere marschierten in Richtung Osten. Ein paar Augenblicke später erschien ein rasselnder Schatten in der Lichtung. Er blieb einen Moment lang stehen, so als wolle er die Geheimnisse des Waldes hören. Dann verließ er den Ort plötzlich und hinterließ in seiner Eile tiefe Spuren im Humus.
Die Quellen leuchteten wie Perlen, die auf dem Boden verstreut sind. Durch den Abbaustaub waren sie gut sichtbar und schienen im Rhythmus von Atys zu schlagen. Die Abbauer ernteten den Sternenbernstein, mit dem der Hauptteil des Jenatempels errichtet wurde.
Während die Abbauer arbeiteten, überwachte eine Hand voll Krieger die Gegend, damit keine Kamisten eindringen konnten.
Caugan saß auf einem Baumstumpf und blickte von einem Baum zum anderen. Er schien nervös zu sein.
  • Du hast seit einer Stunde nichts mehr gesagt. Stimmt etwas nicht? beunruhigte sich Ameriana.
  • Ich habe ein schlechtes Gefühl. Ich habe den Eindruck, als käme eine ganze Armee aus dem Wald, um uns anzugreifen.
  • Die Anhänger der Dämonen sind nicht so zahlreich. Bis sie hier sind, sind wir längst mit Säcken voller Bernstein über die Berge. Und wir…
  • Psst! Hör mal!
    Die Magierin lauschte. Es war kein Geräusch zu vernehmen. Die Vögel hatten aufgehört zu singen. Der ganze Wald schien den Atem anzuhalten.
    Caugan stand auf, aufmerksam. Er runzelte die Stirn.
    Man könnte meinen…
    Er wurde von einem Schrei unterbrochen. Aus dem Harnkraut kamen große grüne Gestalten, die sich auf die Homins stürzten. Es war, als hätten die Bäume ihre Wurzeln gehoben, um diejenigen zu bestrafen, die ihre Ruhe störten.
    Der Tryker sprang in die Luft und zog seine beiden Messer.
  • Kitins, Kitins!
Die großen Kirostas überrannten die Abbauer wie Strohmännchen. Die spitzen Stacheln durchbohrten die leichten Rüstungen und spritzten ein Gift ein, das die Adern verbrennt. Die Kitin-Soldaten, gut durch ihre dicken Panzer beschützt, schneideten den Homins die Gliedmaßen ab und klapperten gleichzeitig mit ihren Gebissen, um im Rhythmus ihres makaberen Tanzes zu bleiben.
Nach dem ersten Überraschungsmoment reagierten die Karavaniere. Unter der Leitung von Caugan positionierten sie sich zwischen den Monstern und den Rohstoffabbauern. Die Heiler sagten ihre Zaubersprüche auf. Die Krieger suchten nach den Schwachpunkten in den Panzern der Kirostas. Caugan stach unaufhörlich auf jede freie Fuge ein.
Ameriana ließ die Energie der Innereien auf die Kreaturen los. Doch die Kitins widerstanden ihren Säureschäden. Dann setzte sie die Magie ihres Volkes ein und beschwor vergiftete Flüssigkeiten herauf. Ein Kitin ging zu Boden und erlitt einen letzten Krampfanfall, so wie eine Hand die sich zusammenzieht. Ein anderes Monster nahm seinen Platz ein.
Die Homins waren terrorisiert. Würden sie alle ihr Leben hier lassen?
  • Ameriana! Bring die Abbauer weit weg von hier! schrie Caugan und entledigte sich einer Leiche eines Kitinsoldaten. Diesen Kampf können wir nicht gewinnen! Meine Truppe wird versuchen, sie so lange wie möglich aufzuhalten.
  • Das kommt gar nicht in Frage! Ich lasse dich nicht allein!
  • Wir haben keine Zeit mehr, um zu diskutieren! Der Sternenbernstein muss ins Lager der Karavan gebracht werden. Das ist unsere Mission!
    Die junge Matis biss sich auf die Zähne. Ihr Freund hatte ja Recht. Jena hatte ihnen eine Mission auferlegt, sie musste alles daran setzen, diese zu erfüllen. Caugan kam zu ihr und nahm ihre Hände.
  • Vergiss nicht, der Tod ist nur ein Übergang! Wenn ich nicht wiederkehre, sehen wir uns im Lichte Jenas wieder!
    Ameriana hatte keine Zeit mehr, zu antworten. Der Tryker hatte schon angefangen, die letzten Kämpfer zu versammeln.
  • Zeigen wir diesen Kreaturen, wie Karavaniere sterben! Für die Göttin!
    Er stürzte sich in die Masse und machte die Kirostas auf sich aufmerksam. Seine Messer zeichneten Todesbögen. Er schien unbesiegbar zu sein.
    Die Magierin versammelte schnell die Rohstoffabbauer. Die Homins folgten ihr, bepackt mit wertvollen Ressourcen und außer Atem, um den Monstern zu entkommen. Sie liefen Richtung Westen.
    Tränen liefen über Amerianas Gesicht. Sie war wütend und verzweifelt zugleich.
    Als der letzte Krieger fiel, schrien die klappernden Soldaten ihren Triumph in den Himmel. Dann verschwanden sie zwischen den Bäumen.
    Kurz darauf sangen auch die Vögel wieder.

Das Wasser der Bucht von Avendale schimmerte im Lichte der untergehenden Sonne. Ameriana stieg von ihrem Mektoub ab und brachte ihn in den Dorfstall. Dann ging sie zum Steg. Die scharlachroten Fahnen wehten in der Abendbrise. Die Seenbewohner waren auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Ein paar Reisende auf dem Weg in die Lagunen von Loria sattelten ihre Lasttiere. Es war eine ruhige Gegend im Gegensatz zum Tumult der Tryker-Hauptstadt. Ameriana fragte nach der Bar von Naroy Ba’Dardan.
Die Magierin hatte die Hoffnung aufgegeben, Caugan noch einmal lebend wieder zu sehen. Nachdem sie die Abbauer sicher ins Lager des Almatiwaldes gebracht hatte, hatte Ameriana vergeblich auf die Rückkehr ihres Freundes gewartet. Sie war mit einer Gruppe Karavanieren zu den Bernsteinquellen zurückgekehrt und hatte eines seiner Messer in einer Kitinleiche gefunden. Da sie den Körper des Trykers nicht fand, hatte die junge Matis gehofft, Caugan sei von der Göttin erspart worden und dank des Wunders der Wiederauferstehung zurück auf Atys gebracht worden. Sie war nach Yrkanis und Fairhaven gegangen – ohne Erfolg. Niemand schien den Krieger mit den Messern gesehen zu haben.
Voller Kummer hatte sie sich an jene Nacht erinnert, in der ihre Freundschaft zu Caugan entstanden war und der Tryker ein Getränk aus seinem Land mit ihr getrunken hatte. Danach hatte sie sich auf nach Avendale gemacht, nordöstlich von Aeden Aqueous. Sie wollte dieses Seenbier noch einmal trinken, das mit Honig nicht so bitter schmeckt. Sie wollte in Erinnerungen schwelgen.

Ameriana ging zur Bar und winkte dem Barmann. Naroy Ba’Dardan bediente zwei Fischer, die Würfel spielten, ehe er zu ihr kam. Seine blonde Wuschelfrisur verbarg ein ehrliches und sympathisches Gesicht.
  • Guten Abend, sagte die junge Matis höflich. Ich würde gerne etwas als Andenken an einen verstorbenen Freund trinken. Ich hätte gerne ein Glas Hausbier bitte.
  • Gerne. Herzlich Willkommen in meinem bescheidenen Gasthaus, Ameriana.
    Die Magierin riss überrascht die Augen auf.
    Woher kennen Sie meinen Namen? Es ist das erste Mal, dass ich her komme.
    Der Krieger am Tisch in der Ecke sagte mir, sie würden her kommen, antwortete der Barmann und füllte einen Krug, der aus einer Muschel geformt war. Es ist nicht gut, alleine in so einer wunderbaren Nacht zu trinken. Sehen Sie wie die Sterne scheinen. Das Seenbier trinkt sich unter alten Freunden.
    Naroy deutete auf eine Gestalt in der Ecke des Saales. Ein Tryker mit purpurroten Haaren war in das Wasser der Bucht vertieft und spielte mit einem Messer.
    Als er Ameriana sah, stand er auf und verbeugte sich, indem er die Hände kreuzte.
  • Ich habe Sie erwartet, geehrte Dame. Würden Sie mir die Ehre erweisen, sich an meinen Tisch zu setzen? Wir könnten zusammen über das Schicksal der Homins diskutieren. Wer weiß, vielleicht können wir alle Zweifel und dunklen Seiten aus der Welt schaffen!
    Als Ameriana auf ihn zu lief, lächelte Caugan wie ein Kind.

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